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Vielseitig und am Puls der Zeit

Rückblick auf die weinbaulichen und oenologischen Inhalte des 64. Internationalen DWV Kongresses

Das Ziel des 64. Internationalen DWV-Kongresses war die Stärkung des internationalen Austausches zu Handlungsmöglichkeiten für eine nachhaltige Weinbranche weltweit. Durch das digitale Tagungsformat nahmen so viele internationale Gäste und Referierende wie nie zuvor an der zweitägigen wissenschaftlichen Tagung teil. Die insgesamt 148 externen Personen bereicherten die Vielseitigkeit des Kongresses. Dies war die am häufigsten genannte positive Rückmeldung. Alle drei Säulen der Nachhaltigkeit wurden in den drei Bereichen der wissenschaftlichen Tagung – Weinbau, Oenologie sowie Wein, Tourismus&Architektur – abgedeckt. Eine Auswahl der weinbaulichen und oenologischen Inhalte werden im Folgenden rückblickend beleuchtet. Die Vorträge zu Wein, Tourismus&Architektur folgen im nächsten Bericht.

Den Auftakt der wissenschaftlichen Fachvorträge bildete Prof. Dr. Josef Settele, Mitglied des Sachverständigenrates für Umweltfragen der deutschen Bundesregierung und international anerkannter Experte für Biodiversität und Ökosystemleistungen. Seine Forschungsschwerpunkte sind eingebettet in Analysen von Landnutzungssystemen – sowohl im Hinblick auf landwirtschaftliche Produktion als auch Schutz der Artenvielfalt. Dabei sieht er insbesondere Insekten als »Dreh- und Angelpunkt im Ökosystem«. Dr. Mardi Longbottom vom Australian Wine Research Institute stellte im Anschluss die Nachhaltigkeitsbestrebungen der australi­schen Weinbranche vor. Ein nationales Pro­gramm verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz zur Verwaltung, Unterstützung und Förderung der Nachhaltigkeit und bietet Winzern und Weingütern die Möglichkeit, ihre Nachhaltigkeit im Weinberg und in der Kellerei in Bezug auf die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekte ihrer Betriebe nachzuweisen und kontinuierlich zu verbessern. Das Pro­gramm orientiert sich an den weltweit besten Praktiken und den Zielen der Vereinten Natio­nen für nachhaltige Entwicklung, deren Fort­schritte jährlich überprüft werden.

Die Vorteile und Erfordernisse des moder­nen Terrassenweinbaus im Vergleich zur Be­wirtschaftung in der Falllinie für Biodiversität und besseren Erosionsschutz stellte Profes­sorin Dr. Ilona Leyer von der Hochschule Gei­senheim University (HGU) vor. Voraussetzung ist eine fachgerechte Begrünung der neu an­gelegten Böschungen. In einer Begrünungs­studie wurden zahlreiche Faktoren, unter an­derem Saatgutmischungen, Ansaattechniken und verschiedene Hilfsmittel (Dünger, Mulch­decke, Ammenarten) getestet. Die Ergebnisse zeigen, dass eine erfolgreiche Begrünung ins­besondere mit der Saatgut-Herkunft und der Ansaattechnik in Beziehung steht.

Dipl.-Physiker Marco Hofmann (HGU) schlug den Bogen zwischen Steillagenbewirtschaftung, Bewässerung und Modellierung. Klimamodel­le projizieren für die Zukunft eine Abnahme der Niederschläge im Sommer und eine Zunahme im Winter. Der Temperaturanstieg führt zu einer Erhöhung der potenziellen Verdunstung, die in Steillagen durch deren Südexposition zusätzlich verstärkt wird. Der Anteil der Flächen mit gerin­ger Wasserspeicherfähigkeit ist in Steillagen er­höht, diese Weinberge können aber die Zunah­me der Winterniederschläge nicht speichern.

Zusätzlich kann auf Begrünungen nicht verzich­tet werden, deren Bedeutung zum Schutz vor Oberflächenabfluss, Erosion und Nitratauswa­schung und zum Erhalt der Biodiversität stark zugenommen hat. Durch die heterogenen Be­dingungen ist die Wasserversorgung in Steilla­gen stark unterschiedlich. In Folge tritt Trocken­stress in den Weinbergen in unterschiedlicher Stärke und zu unterschiedlichen Zeiten auf. Der effiziente Einsatz der Ressource Wasser ist da­her keine leichte Aufgabe und Gegenstand von arbeits- und betriebswirtschaftlichen Abwägun­gen. Modellrechnungen des Wasserhaushalts können dabei helfen, unterschiedliche Versor­gungsbedingungen zu verdeutlichen und die Steuerung von Bewässerungsmaßnahmen zu unterstützen.

Die Simulationsmodell basierte Auswer­tung von Daten aus mikroklimatischer und pflanzenphysiologischer Feldsensorik, loka­len Wettervorhersagen und Drohnenflügen zur Entscheidungsunterstützung für die teil­flächenspezifische Planung von zeitnahen, sai­sonalen und langfristigen Bewässerungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen griff Dr. Rikard Graß vom Helmholtz-Zentrum für Umweltfor­schung GmbH in seinem Vortrag auf. Die Aus­wertung ermöglicht eine Anpassung an die Verfügbarkeit und den Bedarf an Wasser. Ge­meinsam mit Weinbaubetrieben wurde ein daten- und modellgetriebener Informations­fluss sowie ein standortangepasstes modula­res Messdesign entwickelt und einem Praxis­test unterzogen.

Oenologische Vorträge

In den oenologischen Vorträgen wurde als ers­ter Themenkomplex die weltweit steigende Nachfrage nach Weinen mit weniger oder keinem Alkohol adressiert und deren Bedeutung für die Entwicklung oenologischer Verfahren diskutiert. Klimawandel und veränderte Ver­brauchererwartungen forcieren diesen Trend. Rechtliche Aspekte spielen eine wichtige Rolle.

Professorin Dr. Monika Christmann (HGU) dif­ferenzierte in ihrem Impulsvortrag zwischen »alkoholfreiem Wein« und »alkoholreduzier­tem Wein«. Experten aus unterschiedlichen Weinbaugebieten stellten ihre Ergebnisse zur Herstellung geschmacklich hochwertiger Er­zeugnisse vor. »Bei den Vorträgen zur Entalko­holisierung von Weinen fand ich besonders den Ansatz, Konsumentenbewertung und nicht nur technische Inhalte miteinzubringen, spannend. Themen, die gesellschaftlich diskutiert werden, in die Forschung zu transferieren halte ich für relevant und zielführend«, meinte Zuhörer Marc Weber, Doktorand am DLR Rheinpfalz und Win­zer im familiengeführten Weingut.

Innovationen in der Weinbereitung stellen si­cher, dem Wandel einen Schritt voraus zu sein.Dr. Simon Nordestgaard (Australian Wine Re­search Institute) erläuterte aktuelle Innovative Verfahren und deren Beitrag, den hohen Wert von Wein als Traditionsgut zu behalten.

Dr. Patrick Nickolaus (DLR Rheinpfalz) befass­te sich mit neuen physikalischen Verfahren in der Weinbereitung.

Mit der Vorstellung innovativer Gärungstech­nologien, den dazugehörigen Hefen und neuar­tigen Mikroorganismen gab Professor Santiago Benito Sáez (Polytechnic University of Madrid) zukunftsweisende Einblicke in die Oenologie von morgen.

Die Frage nach der Ausgestaltung einer nachhaltigen Arbeitsweise in der Oenologie trieb mehrere Fachvorträge um. Insbesonde­re wurde auf Aspekte ressourcenschonender Maßnahmen und des Energiemanagements im Rahmen der Weinbereitung eingegangen. Professor Dr. Marc Dreßler (Weincampus Neu­stadt) rechnete vor, wie eine neue, nachhalti­ge (Kosten)Rechnung aussehen kann. Er sieht die Aufwandsreduktion als notwendigen Stell­hebel für die Zukunftssicherung.

Die Zuhörerinnen und Zuhörer meldeten zu­rück, dass sie beeindruckt waren, wie hochka­rätig besetzt die Veranstaltungen waren und welch guter Impulsgeber der Kongress für die Branche sei.

Marc Weber resümiert: »Bereits der Blick ins Programm zeigte: Der 64. Internationale DWV Kongress macht seinem Namen alle Ehre und ist extrem international aufgestellt. Rückbli­ckend wurden vielfältige und abwechslungs­reiche Vorträge geboten, aus denen ich Impul­se für meine Arbeit mitnehme.«